Lustige Adventsgeschichte
Jana und Nico sind schon ganz aufgeregt. Heute ist der erste Advent und die Beiden wollen den Vormittag dazu nutzen, mit ihrer Mutter Plätzchen zu backen. Schließlich kommt am Nachmittag die Oma zum Kaffee vorbei und darauf freuen sich die Kinder sehr.
Während die Mutter noch damit beschäftigt ist, die frisch gewaschene Wäsche aufzuhängen, bereiten Jana und Nico schon einmal alles vor: Sie holen Mehl und Zucker aus dem Vorratsschrank, kramen in der Schublade nach den hübschen Ausstechförmchen und zählen nach, wie viel Eier noch im Kühlschrank sind. Dann legen sie noch eine CD mit stimmungsvollen Adventsliedern auf.
Endlich ist es soweit. „So, dann fangen wir mal an“, sagt die Mutter und bindet sich eine Schürze um. Mit Feuereifer machen sich alle an die Arbeit. Jana und Nico dürfen die Zutaten ganz alleine abwiegen und in die große Schüssel geben, denn die Mutter bekommt zwischendurch einen wichtigen Telefonanruf. Aber das ist kein Problem: Schließlich sind die Zwillinge schon zehn Jahre alt und haben schon oft in der Küche geholfen. Der Teig wird ordentlich gerührt, geknetet und ausgerollt. Sie verkneifen sich sogar das Naschen, denn im Vorjahr wurde Jana am Abend nach der Back-Aktion schrecklich übel, weil sie eine viel zu große Portion des süßen Teiges genascht hatte. Pünktlich zum Ausstechen ist die Mutter mit ihrem Telefonat fertig und kehrt in die Küche zurück. Gemeinsam zaubern sie aus dem ausgerollten Teig kleine und große Engel, Weihnachtsbäume, Sterne und Glocken. Dann schiebt die Mutter das große Blech in den Ofen und schaut auf die Uhr.
„Genau zehn Minuten bleiben die Plätzchen im Ofen“, sagt sie. „Passt genau auf, wenn die Zeit abgelaufen ist, sonst werden unsere schönen Plätzchen steinhart und schwarz.“
Das lassen sich die Zwillinge nicht zweimal sagen. Sie wollen ja schließlich am Nachmittag voller Stolz ihre Backkünste der Oma zeigen. Auf die Sekunde genau zieht sich Jana die dicken Topfhandschuhe an und holt behutsam das heiße Blech aus dem Ofen. „Mmmmhhh, die duften aber lecker“, schwärmt sie und hält ihre Nase ganz nah an das dampfende Gebäck. „Aber irgendwie auch anders als letztes Jahr“, entgegnet Nico kritisch. Die Mutter runzelt die Stirn. „Habt ihr euch genau an das Rezept gehalten?“ möchte sie wissen. „Ja klar, Mama! Wir sind doch keine Babys mehr!“ Nico schüttelt beleidigt den Kopf. „Wir lassen die Plätzchen jetzt auskühlen und dann kosten wir sie, bevor die Oma kommt“, entscheidet die Mutter. „Ich finde nämlich auch, dass sie irgendwie anders riechen. Zu dumm, dass wir nicht vom Teig genascht haben.“
Der Vormittag ist um und es gibt noch viel zu tun. Das Mittagessen muss gekocht werden, Jana und Nico räumen noch ihre Zimmer auf und der Vater bringt eine riesige Weihnachtsgirlande an der Hausfassade an. Und nach dem Essen ist es auch schon soweit: Es klingelt an der Haustür und die Kinder rennen zur Tür. Draußen steht aber nicht nur die Oma. Neben ihr wartet eine unglaublich füllige Dame in einem unglaublich roten Kleid. Und sie hält ein kleines rundes Etwas auf dem Arm.
„Wie schön, euch zu sehen“, strahlt die Oma und drückt ihren Enkeln einen dicken Schmatzer auf die Backe. „Ich habe meine Freundin Walburga mitgebracht, denn ich habe ihr schon so viel von euch erzählt und sie wollte euch unbedingt mal kennenlernen!“ Walburga nickt, wobei der Kragen ihres knallroten Kleides lustig nach oben und unten zuckt. Das kleine Etwas in ihrem Arm entpuppt sich als winziges Hündchen, das in einen kleinen Mantel gehüllt ist. „Das ist Lilli“, sagt Walburga und tätschelt mit ihrer großen Hand dem winzigen Hund über den Kopf. Jana und Nico starren das seltsame Paar verblüfft an und sind zunächst sprachlos. Die Mutter bittet ihre Gäste schließlich hinein.
Jana und Nico betrachten neugierig den winzigen kleinen Hund, der sich sofort zitternd unter einen Stuhl verkrochen hat. „Ob der wohl Angst hat?“; flüstert Jana. Nico nickt. „Ganz bestimmt“, flüstert er zurück. Dann setzen sich alle an den Kaffeetisch. „Die Beiden haben die Plätzchen heute fast ganz alleine gebacken“, sagt die Mutter lächelnd. Oma zwinkert den Kindern anerkennend zu. „Dann schmecken sie ja besonders gut“, sagt sie bewundernd. Alle greifen herzhaft in die große Schüssel. Während Nico noch überlegt, ob er dem kleinen Hündchen heimlich einen Keks geben soll, hört er plötzlich ein sonderbares Geräusch. Es kommt von dem Stuhl, auf dem Walburga sitzt, und stammt eindeutig von ihr, obwohl es sich sehr seltsam anhört. Ein schrilles Ächzen, wie ein Papagei, der sich verschluckt hat. Walburga wird ganz rot im Gesicht und hustet wie verrückt, wobei sie sich die fleischige Hand vor den Mund hält. Sie hustet und hustet und hört gar nicht mehr auf, dann kramt sie aus der Tasche ihres knallroten Kleides ein Taschentuch hervor und spuckt hinein. Entsetzt starren sie alle an.
Aber dann verzieht auch der Vater das Gesicht und beginnt zu würgen. „Jetzt sind alle verrückt geworden“, denkt Jana verblüfft. Die Mutter schaut alle Anwesenden prüfend an und wirft dann einen Blick auf die Plätzchen, die unschuldig in der großen Schüssel liegen.
„Die Kekse!“ jammert Walburga und schnappt nach Luft. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger deutet sie auf ihren Mund, muss aber sofort wieder husten. Der Vater hat währenddessen den heißen Kaffee in seine Kehle befördert und wischt sich mit der Serviette den Schweiß von der Stirn. Aber Mutter behält die Nerven und beißt vorsichtig und mit spitzen Zähnen ein Eckchen von einem Keks ab. „Salz“, sagt sie. „Ihr habt Zucker und Salz verwechselt.“ Sie schüttelt sich. „Kein Wunder, die schmecken wirklich miserabel. Wir haben uns doch gleich über den seltsamen Duft gewundert.“
Jana und Nico starren verlegen auf den Boden. Plötzlich fängt die Oma an, zu lachen. Ganz laut, so als ob sie einen unglaublich tollen Witz gehört hätte. Erst sind alle Anderen still, aber dann stimmt auch Walburga mit in das Gelächter ein. Ihr ganzer Körper bebt dabei und der kleine Hund, der mittlerweile wieder auf ihrem Schoß sitzt, wird bedenklich hin und her geschüttelt. Schließlich müssen auch Vater und Mutter lachen. „Seid nicht traurig“, sagt Vater und wischt sich die Lachtränen aus den Augen. „Schließlich hatten wir doch in der Vergangenheit selten einen solch lustigen Nachmittag.“